Kapitel 2 Der Wahlapparat
Das Herz des Supera Specios ist das gemeinschaftlich verwaltete Informations- und Wahlsystem. Hiermit werden nicht nur die Wünsche des Volkes erfasst, sondern auch die Konsistenz und Nachhaltigkeit von Entscheidungen sichergestellt.
Die Regeln der Gesellschaft werden demokratisch in einem sicheren, verteilten Computernetzwerk gesammelt. Ähnlich wie bei Crypto-Währungen wird die Sicherheit durch eine dezentrale Architektur gewährleistet.
2.1 Transparenz
Jedes Mitglied kann jederzeit zu allen möglichen Themen Daten und Meinungen beisteuern. Entsprechende Systeme sorgen für die Vernetzbarkeit der Daten. Außerdem ist der Ursprung aller Daten jederzeit validierbar; natürlich auch dann, wenn aus ihnen automatische Schlussfolgerungen gezogen wurden.
Es gibt öffentlich zugängliche Web-Apps, um die Daten im System zu pflegen. Dazu gehört nicht nur das Hinzufügen neuer Daten, sondern auch die Bewertung von potenziellen Schwachstellen, Inkonsistenzen oder zweifelhaften Fakten. KIs helfen dabei, wichtige zu prüfende Daten oder fehlenden Verknüpfungen zu identifizieren und eine Plattform zu präsentieren, die auf das Know-How des jeweiligen Benutzers zugeschnitten ist.2 Es muss nicht erwähnt werden, das die gesamte Infrastruktur Open-Source sein wird und es keine Möglichkeit geben wird, die Plattform ungemerkt zur Manipulation von Meinungen zu missbrauchen.
2.2 Unterschied zur direkten Demokratie
Meinungen sind oft emotional geprägt oder werden wegen fehlender Fachkenntnis falsch bewertet. Damit das nicht zum Problem wird, gibt es mehrere Mechanismen.
2.2.1 Kompetenzgewichtung
Zum einen sind alle Daten, auch abgeleitete Daten, mit den Personen verknüpft, von denen sie initial ausgingen bzw. die sie bewertet oder bestätigt haben. Somit können die Verursacher von falschen Informationen leicht zur Rechenschaft gezogen werden.
Darüber hinaus gibt es Mechanismen, um die eigene Kompetenz in den jeweiligen Bereichen zu verifizieren. Das bedeutet, dass alle eigegebenen Daten gewichtet sind und man sich qualifizieren muss, um ein höheres Stimmgewicht zu erlangen. Sei es durch Arbeitsnachweise, abgeschlossene Seminare oder unter Umständen auch durch kulturelle oder lebenstechnische Besonderheiten.
Zum Beispiel ist es wahrscheinlich, dass ein indogenes Volk vieles über die Heilwirkungen bestimmter Planzen beitragen kann, auch wenn im Einzelfall kein abgeschlossenes Studium nachgewiesen werden kann.
Ebenso ist es wahrscheinlich, dass über die Tauglichkeit von Maßnahmen zur Barrierefreiheit direkt betroffene Personen besser urteilen können.
Die Beurteilung der Kompetenz hat also viele Facetten.
2.2.2 Fristen
Ein weiterer Unterschied ist der, dass Abstimmungen keine Fristen besitzen. Daten können jederzeit geändert, erweitert oder zurückgenommen werden. Eine Abstimmung zu einem Thema ist also keine einmalige, zeitlich begrenzte Aktion, sondern ein Prozess, der niemals endet.
Kontroll- und Erinnerungssysteme, bewertet von KIs, werden eingesetzt, um verwaiste oder veraltete Daten zu identifizieren. Dazu gehören z.B. auch Meinungen, die mehrheitlich durch andere Daten in tieferen Abstaktionsschichten widerlegt wurden.
2.3 Daten-Verarbeitung
Neben dem Wahlsystem ist das allgemeine Informationssystem von zentraler Bedeutung.
2.3.1 Abstraktionsschichten
Die Begriffe Daten, Meinungen und Abstimmungen wurden bisher bunt gemischt verwendet.
Tatsächlich ist es wichtig, Daten als ganz abstrakte Einheit zu betrachten. Eine Abstimmung ist keine Präsentation einer Idee, die man nur mit “Ja” oder “Nein” beantworten kann und am Ende von einem Politiker ausgewertet wird.
Jede Daten-Einheit steht mit anderen Daten in Zusammenhang. Auch Schlussfolgerungen oder Voraussetzungen von Daten können definiert werden. Dies kann in beliebigen Abstraktionsschichten passieren.
Zum Beispiel kann man definieren, unter welchen Bedingungen ein bestimmter Baum wieviel Sauerstoff freigibt. Oder man definiert, wie viel Sauerstoff ganze Wälder in bestimmten Regionen freisetzen. Das sind Definitionen in unterschiedlichen Abstraktionsschichten und unter Umständen kann die untere (Sauerstoff pro Baum) die obere (Sauerstoff pro Region) errechnen.
Dies hängt nicht nur von den vorhandenen physikalischen Daten und den definierten Zusammenhängen zwischen ihnen ab, sondern insbesondere auch von der notwendigen Rechenleistung und damit verbunden von der zur Verfügung stehenden Zeit in Relation zur Wichtigkeit der resultierenden Erkenntnis. Auch hier werden KI-Systeme versuchen, die richtige Balance zu finden, um den Fokus der Berechnungen zu lenken.
Die oberste Abstraktionsschicht, zu der alle Daten zusammenlaufen und nach denen sie bewertet werden, ist sowohl der extrapolierte Stand des Wohlbefindens der Lebewesen in ferner Zukunft als auch der minmale zwischenzeitliche Stand (lokales Minimum) für bestimmte Arten oder gar einzelne Lebewesen. Specios will das Wohlbefinden nicht nur maximieren, es darf auch niemals unter ein gewisses Niveau fallen, auch nicht, wenn danach alles besser werden sollte.
Die konkreten Grenzwerte werden wie die anderen Parameter des Systems auch, von den Mitgliedern beigetragen - es sind Daten wie alle anderen auch.
Details zum Datenmodell werden in Kapitel 5 erläutert.